Neue Studie zur Gesundheit der Migrationsbevölkerung
Nov. 2011Internationales
Migration und Gesundheit. Das zweite Gesundheitsmonitoring der Migrationsbevölkerung in der Schweiz gibt Aufschluss über den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten, die Gesundheitskompetenz und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen von Personen ausgewählter Nationalitäten.
Um in der Schweiz gesundheitliche Ungleichheiten zwischen Personen mit und solchen ohne Migrationshintergrund beobachten und dokumentieren zu können, ist 2004 im Rahmen des Nationalen Programms Migration und Gesundheit zum ersten Mal eine Gesundheitsbefragung in der Migrationsbevölkerung durchgeführt worden (GMM I). 2010 hat diese Befragung ein zweites Mal stattgefunden (GMM II): 3000 Personen ausländischer Nationalität sowie kürzlich Eingebürgerte gaben Auskunft zu verschiedenen Aspekten ihrer Gesundheit. Die telefonischen Interviews wurden auf Portugiesisch, Türkisch, Serbisch, Albanisch, Somali, Tamilisch sowie Deutsch und Französisch durchgeführt. Die Fragen waren mehrheitlich identisch mit jenen der Schweizerischen Gesundheitsbefragung. Das vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und vom Bundesamt für Migration (BFM) finanzierte Forschungsprojekt wurde von vier Instituten unter der Leitung des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) ausgeführt.
Ältere Menschen und Frauen besonders belastet
Die Ergebnisse zeigen, dass Migranten und Migrantinnen, die erst seit Kurzem in der Schweiz leben, weniger oft von dauerhaften Gesundheitsproblemen betroffen sind als die gleichaltrige einheimische Bevölkerung. Dies ist ein Hinweis auf den sogenannten «Healthy-Migrant-Effect», der darin besteht, dass vor allem gesunde Personen das Wagnis einer Migration in Angriff nehmen. Mit zunehmendem Alter und längerer Aufenthaltsdauer in der Schweiz öffnet sich jedoch die Schere zwischen Migrationsbevölkerung und Einheimischen: Die Migrationsbevölkerung weist, verglichen mit der gleichaltrigen einheimischen Bevölkerung, einen schlechteren Gesundheitszustand auf. Ältere Migrantinnen und Migranten leiden häufiger an psychischen und/oder körperlichen Problemen wie Depression, Migräne, Bluthochdruck, Arthrose, Nieren- oder Lungenkrankheiten. Auch die subjektive Einschätzung der eigenen Gesundheit fällt deutlich schlechter aus als bei der einheimischen Bevölkerung. Frauen mit Migrationshintergrund sind von gesundheitlichen Problemen stärker betroffen als Männer.
Vielschichtige Ursachen
Ausbildungsniveau, Erwerbstätigkeit, Sprachkompetenz, Diskriminierungserfahrungen in der Schweiz und Erfahrungen mit Gewalt im Herkunftsland können einen Teil der Unterschiede erklären. Bei Migranten und Migrantinnen, die seit Längerem in der Schweiz wohnen oder hier geboren sind, greifen Erklärungen anhand dieser Faktoren jedoch oft zu kurz. Weitere Forschung wäre nötig, um die Ursachen der gesundheitlichen Ungleichheiten zu ergründen. Möglicherweise sieht die Lage im Alter auch deshalb so prekär aus, weil ältere Migranten und Migrantinnen bei guter Gesundheit eher in ihr Herkunftsland zurückkehren, während jene mit gesundheitlichen Problemen eher in der Schweiz bleiben.
Mehr Zigaretten, weniger Alkohol
Beim Gesundheitsverhalten zeigen sich ebenfalls verschiedene Unterschiede zwischen einheimischer Bevölkerung und Migranten bzw. Migrantinnen. Während der Tabakkonsum bei den befragten Migrantengruppen höher ist als bei den Einheimischen, ist der Alkoholkonsum tiefer. Bei Ernährung und Bewegung zeigt die Migrationsbevölkerung ein etwas weniger gesundheitsförderliches Verhalten als die einheimische Bevölkerung, und es sind auch mehr Personen von starkem Übergewicht betroffen.
Bei der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen unterscheidet sich die Migrationsbevölkerung hingegen kaum von den Einheimischen. Insgesamt weisen Migranten und Migrantinnen eher weniger Arztbesuche auf – wenn sie zum Arzt gehen, dann jedoch öfter zum Hausarzt oder zur Hausärztin. Einige der befragten Migrantengruppen nehmen Notfalldienste, Polikliniken und Spitalambulatorien häufiger in Anspruch als die einheimische Bevölkerung.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse des GMM II, dass in der Schweiz nach wie vor gesundheitliche Ungleichheiten zwischen Menschen mit und solchen ohne Migrationshintergrund existieren. Für eine gezielte Prävention und Gesundheitsförderung sowie für Massnahmen zur Ermöglichung eines chancengleichen Zugangs zum Gesundheitswesen sind diese Daten eine wichtige Grundlage.
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Kontakt
Karin Gasser, Projektleiterin Forschung, Nationales Programm Migration und Gesundheit, karin.gasser-gp@bag.admin.ch